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TREFFENDE WORTE
 

Von der Wirkmächtigkeit des Gesprochenen

Liebe Leserinnen und Leser!

Die Erlebnisdichte der Gegenwart eines Ereignisses aus der Vergangenheit liegt noch spürbar im Erfahrungsraum meiner Seele. Dieses Geschehnis im Bereich der bloßen Worte ereignete sich vor etlichen Jahren im Halbdunkel einer Gefängniszelle. Damals war ich Gefängnisseelsorger, ohne die mit dem Zölibat verbundenen Weihen, und wurde zu einem Jugendlichen gerufen, der gerade sein Urteil von 10 Jahren Haft für einen Mord erhalten hatte. Er wollte nun unbedingt einen Pfarrer sprechen. Ich wusste noch nicht, worum es bei diesem Gesprächskontakt gehen sollte, da schloss sich hinter mir schon die Tür, und ich stand in einer düsteren Zelle, da die Vorhänge zugezogen waren. Ich setze mich ihm gegenüber auf sein Bett, und wir schauten uns eine Weile schweigend und forschend an. Die Situation war aus meiner Sicht nicht dazu geeignet, selbst das Wort zu ergreifen. Nach einer längeren Zeit, Schweigen kann ja so unendlich lang wirken, sprach er mich an: ‚Da heißt es in der Bibel, du sollst nicht töten, und ich habe es doch getan. Was ist nun mit mir?‘ Dieses Bekenntnis kam mit soviel konzentrierter Demut hervor und wurde von erwartungsvollen Blicken begleitet. Von diesem derartigen tiefen Schuldbekenntnis war ich und bin ich auch heute noch stark beeindruckt. Das Schweigen setzte sich fort und hielt an. Es war nicht die Zeit für wechselnde Worte, für Erklärungen oder Rechtfertigungen. Aus innerer Überzeugung und mit ehrlichem Herzen gab ich ihm als Antwort: ‚Gott habe ihm vergeben, dessen könne er sicher sein, daran glaube ich fest.‘ Die Spannung seines Körpers ließ nach. Er nickte erleichtert. Kurze Zeit später verabschiedeten wir uns.
Was könnte sich nunmehr in einer ungeklärten Seele eines Betrachters über diese Begebenheit an Wertungen, positiver wie negativer Art, entspinnen?
Es sind nur Worte gewesen, oder war es mehr als Worte?
An dieses Ereignis wurde ich wieder erinnert, als ich in dem Buch ‚Leben Jesu‘ von Francois Mauriac auf folgende Passage stieß. Jesus befindet sich im Hause des Pharisäers Simon, als sich eine Sünderin Jesus zuwendet und ihn mit Öl salbt. Bei den Anwesenden entsteht ein Befremden darüber, dass Jesus diese Handlung zulässt. Aber dies ist noch nicht alles!

„Und plötzlich fällt das Wort, das auch der Gichtbrüchige vernahm, das ärgerniserregendste von allen, die dieser Nazarener zu sprechen wagt: fünf Worte, in denen sich unwiderstehlich Gott offenbart: ‚Deine Sünden sind dir vergeben ...‘
Über Wunder staunten die Juden nicht mehr. Jesus häufte sie, und sie gewöhnten sich daran. Und man weiß nie – es gibt da Tricks, Beelzebub ist auch da, alles läßt sich erklären. Aber ein schlichtes Wort, eine unbewiesene Behauptung bringt sie mehr aus der Fassung als irgendein Wunder.“

Fragen wir uns selbst, inwieweit uns Worte tatsächlich mehr bewegen, beunruhigen, uns in Wut bringen oder uns liebevoll zerfließen lassen, als dies Ereignisse in der Realität vollbringen?









Es ist schon erstaunlich, zu bemerken, wie viele gute Taten wir tun können, die auch angenommen werden, und wie dennoch geäußerte Gedanken die Atmosphäre der guten Werke wieder vernichten können. Und wenn diese unheilvollen Worte nur von Geist zu Geist gesendet werden, ohne dass sie konkrete, materielle Wirklichkeit werden und sich gleichwohl daran Wut, Angst und Kränkung entwickeln, dann ist dies schon erstaunlich. Aber wenn Ärgernisse auf solche Weise entstehen, so könnten doch ebenso positive und wohlmeinende Worte andere tiefgreifende Wirkungen erzielen; als selbstverständlich wird vorausgesetzt, dass sie wahrhaftig und ehrlich gemeint sind. Aber auch dabei kommt es auf den Blickwinkel des Betrachters an:
Für Jesus ist Vergebung eine Sache des Herzens und des Geistes, nicht ein Ritual, dass ganz bestimmte Vorschriften enthalten muss, damit dann Versöhnung wirklich stattfinden kann. Durch seine handelnden Worte entlarvt er das ganze abgekartete und machtausübende Religionssystem der Pharisäer und stellt es in Frage. Die Frau hingegen fühlt sich durch die Worte Jesu als vollwertiger Mensch und von Gott angenommen.
Bedenken Sie bitte, wie viele Glaubenskriege stattfinden, wie viele Menschen von religiöser Gemeinschaft ausgeschlossen werden, nur weil sie andere Worte wählen und nicht die standardisierten Formeln in die Luft senden. Auch im weltlichen Bereich werden Menschen aufgrund ihrer Ansichten – ohne dass schon eine Handlung entsprechend erfolgt ist – kritisiert, gemieden und sogar bedroht.
Es lohnt sich, über die Wirkweise treffender Worte einmal nachzudenken, damit wir zumindest die Worte relativieren, die uns berührt haben, und die Gründe für das uns Entgegengebrachte hinterfragen, um immer weniger zum Gegenschlag mit Worten ausholen zu müssen.
Es ist schwer zu entscheiden, ob die Töne, die an unser Ohr dringen nur Worte sind oder ob sich dahinter unsichtbare Wirklichkeiten verbergen, die es tatsächlich gibt. Beurteilen Sie selbst, wie die Worte, die der Dominikaner Meister Eckhart im Einklang mit dem Kirchenvater Augustinus schreibt, an Ihr seelisches Ohr dringen und Wirkung hinterlassen:

„Sankt Augustinus spricht: Für Gott ist nichts fern noch lange. Willst du, dass dir nichts fern noch lange sei, so füge dich zu Gott, denn dann sind tausend Jahre wie der Tag, der heute ist. Ebenso sage ich: In Gott ist weder Traurigkeit noch Leid, noch Ungemach. Willst du alles Ungemachs und Leids ledig sein, so halte dich und kehre dich in Lauterkeit nur zu Gott.“

Ja, es ist wichtig, nach treffenden Worten zu suchen, die uns innerlich befrieden, die uns abbringen können von unserem Trip der Rache und des Gewinnen-Wollens und die glaubwürdig unser Leben stetig in geistige Veränderung und Entwicklung führen.
Achten Sie einmal in dieser Woche besonders auf die Wirkung Ihrer Worte und die der anderen.

Udo Manshausen

Internetmeditation April 2002 von Udo Manshausen
www.manshausen.de

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