Sie sind hier: Coaching Streitfälle Geistige Einsichten  
 Streitfälle
Geistige Einsichten
 Coaching
Streitfälle
Online-Beratung

DIE TAPFERKEIT DES HINTERHALTS
 

Liebe Leserinnen und Leser!

Eine Reklame, die schon 30 Jahre zurückliegt, scheint mir ein geeigneter Einstieg zu sein, die desolate Situation zu markieren, die sich mit dem Wort Tapferkeit in der heutigen Zeit verbindet. Der Kölner Fußballspieler Wolfgang Overath hält eine Tüte Lakritz mit Namen 'Katinchen' in die Kamera, zeigt darauf und sagt: 'Katinchen, für die könnte ich kämpfen.'

Wenn wir uns den derzeitigen Kleinkram menschlicher Streitkultur einmal anschauen, dann spüren wir sehr schnell, mit wieviel 'todesmutigem Eifer' sich für bestimmte Dinge eingesetzt wird.

Eine solche Verlagerung ist vielleicht um so verständlicher, wenn wir bedenken, für welche fragwürdigen Ziele die Menschen in der blutigen Geschichte dieser Menschheit mit einem heroischen Tapferkeitsideal in den Tod geschickt wurden. Die berechtigte Kritik daran kann jedoch dazu beitragen, der klassischen und ursprünglichen Bedeutung des Begriffs der Tapferkeit wieder mehr Raum zu verschaffen.

Die Kardinaltugend der Tapferkeit meint in ihrem Zentrum ein Standhalten in bestimmten Situationen, in denen voraussehbare Verletzungen - vornehmlich seelischer Natur –in Kauf genommen werden, um die tiefere Verwundung eines anderen oder des eigenen Personseins zu verhindern. Und dieses Aushalten sollte auch nur dann erfolgen, wenn es keine andere Möglichkeit mehr zu geben scheint.

Das eigentliche Handeln, die Action und das wirklich Tapfere laufen innerlich ab, indem die Ängste, die eigene Wut und der eigene Schmerz ausgehalten werden. Das Ausharren hat die Verwirklichung des Guten zum Ziel und steht für eine bestimmte Auffassung, für einen perönlichen Standpunkt, der entgegengehalten wird. Dieses erfordert in der Tat viel inneren Wagemut.

Natürlich umfaßt die Tugend der Tapferkeit ebenso den tätlichen Angriff, wenn die Klugheit aufzeigt, daß die objektive Sachlage keine andere Möglichkeit mehr zuläßt, um das Menschliche zu bewahren.

Bei aller Diskussion, die sich mit den sittlichen Handlungsmöglichkeiten beschäftigt, die man noch im Sinne von Tugend als tapfer bezeichnen kann, oder die erörtert, ob ein Aushalten doch eher im Grenzbereich eines Klein-bei-gebens liegt, weist die Tapferkeit unmißverständlich auf den Teil der Lebenswirklichkeit hin, den wir als das Böse, das Schlechte, das Zerstörerische bezeichnen. Ja, unser Dasein steht allerorts Gefährdungen gegenüber, und dabei sind dies nicht nur die Naturkatastrophen, sondern das Makelhafte ereignet sich ebenso durch unser Handeln.
Wer diesen Umstand zu verharmlosen sucht und darauf hofft, daß sich die Dinge ohne Tapferkeit von selbst auflösen werden, der leidet an einem erheblichen Realitätsverlust. Ohne mutige Einsätze für andere oder uns selbst wird kein Leben sinnvoll ablaufen können.Der Philosoph Josef Pieper (1904-1997), der durch seine kleinen Abhandlungen über die Kardinaltugenden weltweit bekannt wurde, wehrt sich gegen eine Ignorierung des Bösen im Leben und damit gegen eine Verharmlosung der Realität: 'Wer das sogenannte Böse nicht wahrhaben will, der verfälscht das ethische Leben zu einer risikolosen und unheroischen Harmlosigkeit; der Weg zur Vollendung erscheint als pflanzliche 'Entfaltung' und 'Entwicklung', der das Gute kampflos gelingt.'
Erschreckend und verständlich zugleich – wer möchte schon ein Held sein - kann man doch allerorts beobachten, wie sich viele Erdenbürger auf ein 'Pflanzendasein' zurückgezogen haben, selbst wenn es um ihre ureigensten Interessen im beruflichen wie privaten Alltag geht.
Dabei hat es sich eingebürgert, um die eigene Feigheit zu kompensieren und den Druck der eigenen inneren Stimme doch noch auszugleichen, sich in den Hinterhalt und die Intrige zurückzuziehen, die auch noch Solidarität in der eigenen Kleinmütigkeit sucht. Und dies alles ist man eher bereit auszuhalten, als ein sichtbares Standhalten. Damit beginnt ein oft langer Leidensweg. Der vermeintliche Intrigenansatz – man hat ein gemeinsames Feindbild – oder das Verlegen des eigenen Selbst aus der ersten Reihe in den Hinterhalt – man wartet auf die passende Gelegenheit, um zurückschlagen zu können – tragen jedoch nicht zur Verbesserung der eigenen Situation bei. Im Gegenteil – die Phantasie über die schrecklichen Zustände steigert sich ins Unermeßliche und Unbelegbare. Das Gegenüber wird zum Unmenschen.
Innere Kündigung, Ausstieg und Trennung sind die Ausweichquartiere für eine verpatzte Tapferkeit. Die eigentliche 'Tapferkeit' bleibt scheinbar nur noch – oder man geht so richtig unkontrolliert aus sich heraus, und das hat mit Tapferkeit nichts zu tun, sondern ist lediglich eine psychische Reaktion -, wenn die innere Bombe platzt.

Ganz abgesehen davon , daß es eine kollektive Tapferkeit nicht gibt, da das ethische Handeln immer den Einzelnen zum Subjekt hat, begibt man sich mit einem Dasein nach 'Art der Pflanzen' auf einen Weg, der eigentlich das zu Bewahrende und das zu Schützende überhaupt nicht oder viel zu selten auf der Lebensfahne stehen hat.

Alles wäre doch so einfach, wenn es da nicht die Ängste gäbe, die Bestrafungsangst, die Kündigungsangst, die Angst vor dem Alleinsein, die Angst vor den eigenen Urkräften, die Angst vor der Blamage, die Angst vor Repressalien, die Angst vor Liebesentzug, die Angst vor der Verantwortung...

Genau diese Ängste hat die Tapferkeit im Blick, wenn es um das Standhalten, um das Einleiten von Veränderungen geht, um dem Guten im Leben zum Durchbruch und zur Verwirklichung zu verhelfen. Der kluge umsichtige Blick auf die Realität ist gefragt und nicht ein Draufgängertum. Die Tapferkeit kennt keine letztgültige Sicherheit, sondern sie weiß um die inneren Verwundungen, die auf einen zukommen werden.

Und Sie? Wann hören Sie mit dem angstvollen Klagen auf? Wann bringen Sie trotz ihrer Ängste ein gutes menschliches Handeln auf den Weg?
Sie glauben, der Einsatz lohne sich nicht? Und da gibt es gar keine Anstrengung in Ihrem Leben, die lohnenswert genug wäre, um sich aus der Welt der Pflanzen zu lösen?

Eine Woche mit guten Einsichten wünscht Ihnen

Udo Manshausen

Internetmeditation März 2000 von Udo Manshausen
www.manshausen.de

Treffende Worte