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DIE STATIKER
 

Liebe Leserinnen und Leser!

Wer möchte nicht ein im tiefsten Grunde ausgeglichenes Leben führen, indem die widerstreitenden Gefühlskräfte in einem heilsamen Gleichgewicht zueinander stehen, um von einem solchen Zustand aus das Dasein genießen zu können?
Dieses Gedankenbild einer ausgeglichenen Psyche findet eine Entsprechung im physikalischen Prinzip der Statik –griech. statikos 'zum Stillstehen bringend' -, das die Lehre vom Gleichgewicht der Kräfte sowie die Berechnung der Kräfte beinhaltet, die auf die tragenden Teile eines Bauwerkes einwirken und die man im Sinne einer Standfestigkeit ausgleichen kann.

Das Idealbild eines in sich selbst ruhenden Menschen, der andere nicht für das eigene Glück verleiten, ausnutzen oder mißbrauchen muß, scheint in der heutigen Zeit ad acta, zu den Akten, gelegt worden zu sein.
Daneben wird kaum das Augenmerk auf die Bedingungen einer eigenen, soliden Standfestigkeit gelegt. Eine solche Wirklichkeit kann beobachtet werden, wenn man einmal die Dünnhäutigkeit mancher Mitmenschen wahrnimmt. Aggressive Reaktionen, Beleidigtsein sowie angstvolle Untergangsstimmungen können schon angesichts 'objektiver Kleinigkeiten' ausgelöst werden. Und manchmal enden solche Begebenheiten mit der entlastenden Feststellung, warum man sich eigentlich durch eine solche Winzigkeit hat aus der Ruhe bringen lassen.

Darüber hinaus ist ein vorschneller Anpassungswille in Richtung Chef oder Familienoberhaupt zu beobachten, - nur nicht anecken - der leicht unter dem Deckmantel von Flexibilität und Toleranz versteckt wird. Wie es wirklich im Innern aussieht, weiß oft nur die sich im Ungleichgewicht befindliche Person selbst.

Leider, oder Gott sei Dank, gibt es keine Rechenmodelle, die einem genau und präzise belegen könnten, wie die Persönlichkeit zu einem Gleichgewicht und zu einer Festigkeit kommen kann. Anders als z.B. bei einem Gebäude, erwartet man vom Menschen Standfestigkeit – Verläßlichkeit, tragende Werte, Stellungnahme – bei gleichzeitiger oder zumindest nachfolgender Flexibilität, Beweglichkeit und Offenheit. Da, wo ein Gebäude wegen zu großer Schwankungen schon längst eingestürzt wäre, soll das Individuum möglichst nicht aus den Fugen geraten, wenn die Lebensumstände radikale Umstellungen verlangen.

Vielleicht hört der eine oder andere noch die flehentliche Aufforderung der Eltern, Lehrer oder Erzieher, die immer wieder dazu aufriefen, nicht jeder Meinung oder Lebensform nachzulaufen, sondern sich seinen eigenen Standpunkt heranzubilden und diesen mit Sicherheit und Stärke zu vertreten. Und wenn es dann einmal so weit gediehen war, wurde man unter bestimmten Umständen dazu aufgefordert, diesen wieder aufzuweichen und hinter sich zu lassen.
Also warum sich eigentlich überhaupt auf einen solchen Weg machen? 'Da bleibe ich doch lieber gleich im Ungleichgewicht, das sich ja sowieso öfter wieder einstellen wird!' Und da dringen die Laute an das Ohr:
'Mensch sei doch nicht so unbeweglich, so statisch. Du mußt flexibler sein. Es ist wichtig sich anpassen zu können, wenn Du etwas im Leben erreichen willst!'

statisch sein, Standpunkte entwickeln, Grundsätze festlegen -
- beweglich sein, Standpunkte aufgeben, sich weiterentwickeln -



Gibt es Anhaltspunkte, wie man dieser erlebten Widersprüchlichkeit sinnvoll begegnen kann? Welche Wege führen aus einem unheilvollen Zickzackkurs heraus, wenn ich hin und her gerissen werde?

In einem Erfahrungsseminar berichtete einmal ein Hochschulprofessor wie er in einer psychisch fast ausweglosen Lage seinen Assistenten ins Vertrauen zog. Der Professor wußte nicht, wie er einen Weg finden konnte, sich zu entscheiden. Die Hochschule verlangte in einer bestimmten Sache jenes, seine Studenten dieses und seine Frau etwas anderes. Das Pulverfaß von eigenem Standpunkt, drohender Autorität der Hochschule und den Bedürfnissen anderer Menschen geriet zunehmend unter Druck.
Und in der Entfaltung seines Problems vor seinem Assistenten stellte er sich in einer Art Rollenspiel jeweils vor einen Stuhl, der eine der verschiedenen 'Parteien' symbolisierte. Alsbald begann er immer schneller, sich wie in einer Art ungutem Kreislauf von einem zum anderen Stuhl zu bewegen. Sein Resümee: 'Ich stehe zwischen den Stühlen.' Sein Mitarbeiter forderte ihn lediglich auf: 'Du mußt dich auf einen Stuhl setzen, damit sich dein innerer Konflikt lösen kann.'
Der Professor berichtete, wie er diesem Hinweis entsprach, und nach dem 'Hinsetzen' auf einen Stuhl seine Unentschiedenheit angehen konnte und zu einer Lösung gelangte.

Eine Entwicklung und Beweglichkeit, die vom eigenen Standpunkt ausgeht – unter Standpunkt wird hier weniger der Begriff Meinung verstanden als vielmehr eine tiefe Lebenseinstellung – ist etwas grundlegend anderes als eine Beweglichkeit aus der Beweglichkeit heraus im Sinne einer Beliebigkeit, die die Dinge ordnet gerade so, wie es zum eigenen Vorteil paßt. Mit dem letzteren Prinzip tut man sich auf Dauer keinen Gefallen, da die Orientierung fast gänzlich verloren gehen kann.

Ausgangsfragen für eine sich entwickelnde Biographie:

Welche grundlegende Auffassung vom Leben habe ich?
An welchem Punkt meiner Gedanken setze ich an?
Welche neuen Wege beschreite ich, um tragende Überzeugungen zu gewinnen?



Ein bedenkenswerte Zielsetzung beschreibt der römische Kaiser Marc Aurel, der sich in seinem Leben darum bemühte, feste und seiner Natur gemäße Anschauungen zu entwickeln:

„Heb mich auf und wirf mich, wohin du willst. Denn auch dort werde ich meinen Dämon heiter bewahren, d.h. zufrieden, wenn er in seinem Zustand und in seiner Betätigung im Einklang mit seiner eigenen Natur ist.
Ist diese Sache es wirklich wert, daß ihretwegen meine Seele krank wird und von ihrem Wert verliert, weil sie erniedrigt und Sklavin der Sinnlichkeit wird, in die Fesseln des Leibes und in Angst und Schrecken gerät? Und was könntest du finden, das dies aufwöge?“ (Selbstbetrachtungen 8,45)

Eine Woche mit guten Einsichten wünscht Ihnen

Udo Manshausen

Internetmeditation Dezember 1999 von Udo Manshausen
www.manshausen.de

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