Sie sind hier: Veröffentlichungen Veröffentlichungen Seelengefährte  
 Veröffentlichungen
Gott wirft keine Bomben
Ermordete Wahrheit
Kämpfe Seele
Gott
Resilienz
Seelengefährte
Herr, lass gut sein
Seelenführung
Wüstenväter
Meditationsband
Atempause
Sonnenuhr
Unendlichkeit
Edith Stein
Simone Weil
Mönchtum
 Veröffentlichungen
Veröffentlichungen
Autorenlesung
Textlesung
Textlesung 2

AUSZUG AUS DEM KAPITEL KRISE
 

1.5 Die eigene Begleitung in der Krise

Der schmerzliche Treffer in der Seele lässt es kaum zu, es mit uns selbst aushalten. Wir suchen verstärkt das Gespräch mit anderen, um unser Leid mitzuteilen, um der Einsamkeit zu entgehen und um uns Hilfe zu holen. Gerade in den Leidensmomenten wird uns deutlich, dass wir allein sind, weil wir unverwechselbar eine Person sind. Wir können das Leid nicht auf andere verteilen, da es vollständig das Leid im Leben des Einzelnen ist. In solchen Momenten wird die Einsamkeit deutlich und hart spürbar. Und gerade in den dunklen Stunden der Seele fällt die Zeit des Alleinseins besonders schwer. Jeder eigenständige Schritt kann sich möglicherweise ungewohnt schwer anfühlen. Das beginnt mit dem Aufstehen, setzt sich fort in den unaufschiebbaren Verpflichtungen des Alltags und endet damit, sich angstvoll zur Nachtruhe zu begeben. Es bleibt uns in der Einsamkeit keine andere Wahl, als uns selbst zur Seite zu stehen, so gut es eben geht.

Der Wüstenvater Evagrius Ponticus empfiehlt in solchen kritischen Situationen: „Es ist gut, unter Tränen unsere Seele gleichsam in zwei Teile zu teilen: in einen Teil der Mut zuspricht, und einen Teil, dem Mut gemacht wird ...“
Diese Sichtweise greift die seelische Dynamik auf, die ständig zwischen der Hoffnung auf Erleichterung und der Angst vor dem Untergang wechselt.

Die im Folgenden vorgestellten Erlebnisfelder, in denen eine eigene Begleitung gelebt werden soll, knüpfen an den Reaktionen an, die eine krisenhafte Seelenlage hervorbringt:

Das Weinen: Die Tränen kommen wie von selbst, besonders in der Einsamkeit. Sie bringen das Erstarrte zum Fließen. Der Fluss der Tränen kann uns trösten, da das Angerührtsein uns mit Wärme erfüllt. Er führt uns von der erschreckenden Klarheit weg, indem angstvolle Bilder aufgelöst oder weggeschwemmt werden.

Die körperliche Bewegung: Die innere Unruhe lässt uns nicht ruhig verweilen. Der Körper befindet sich in Anspannung und drängt zur Bewegung, um die angestaute Energie abzubauen oder um zur Müdigkeit zu gelangen, die sich auch über die Gedanken ausbreiten soll.

Das äußere und innere Gespräch: Um unsere Gedanken zu ordnen und unsere Gefühle herauszulassen, ist das Gespräch außerordentlich hilfreich. Wir können Trost erfahren, da uns jemand zuhört und uns annimmt. Es tut gut, Begleitung und hilfreichen Rat zu erfahren. Auch das Gespräch mit sich allein gewinnt in solcher Lage an Bedeutung. Wir können uns selbst befragen und uns wachrütteln und durch Lesen zu einem inneren Dialog geführt werden.

Die Bedeutung des Religiösen: In der Krise rückt die Sinnfrage in den Mittelpunkt. Diese berührt die Sphäre des Religiösen oder Göttlichen: Wie konnte Gott das zulassen? Wird Gott mir helfen? Wie kann ich Vertrauen in ein Leben aufbauen, das von der Vergänglichkeit bedroht ist? Gibt es ein Dasein über den Tod hinaus? Zudem kann das Gebet eine wichtige Rolle spielen.

Die Gedankenbilder: Die leidvolle Situation öffnet unser Herz für Bilder, die der eigenen Seelenlage nahe liegen. Die erlebte Dunkelheit führt uns zur Wirklichkeit der Nacht: Gibt es Licht in der Dunkelheit? Wie können sich die dunklen Gefühle in der Seele mit dem Bild der Nacht verbinden, um auf diese Weise eine heilsame Verbindung zu schaffen? Wir suchen vor allem nach Bildern, die die Hoffnungslosigkeit in uns auflösen und neue Zuversicht entstehen lassen: Die Weite des Meeres und das Blau des Himmels können uns für Momente in eine Weite des Herzens führen.

Die persönlichen Lebensthemen: Gerade das Leiden offenbart die wichtigen Themen und Fragen, auf die wir individuelle Antworten finden möchten und die uns motivieren, nachzuforschen. Längst verschüttete Fragestellungen und ernsthafte Wissensneugier werden erneut an die Oberfläche gespült. Die brennenden Fragen ermöglichen die ernsthafte Aufforderung, sich diesen Lebensthemen zu stellen.

Hauptkapitel | Auszug aus dem Kapitel Notfall